PROLOG
    
    
              „[…] 
    »Jemand
    ist schon dagewesen. Seine Spur bedeutet
              nicht sein Dagewesensein, so wie sie weder seine Arbeit
              noch seine Daseinslust bedeutet – sie ist, indem sie mit un-
              abweisbarer Würde sich einprägt (man möchte sagen: sich
              eingraviert), das Störende schlechthin“
              EMMANUEL LEVINAS (Humanisme de l’autre homme, IX,
              
    »La
    Trace«)
    [,,,]“
              – edmond jabès („Es nimmt seinen Lauf“, s.26)
    
    
    - 
    nur ein alter, alter taschenspielertrick – der, naemlich, der suggestion, naemlich, & der auch der verschiebung…
- 
    ach & o, & o & ach; meinst du etwa so 
    à la magrittes aepfel kontra des kaisers neue kleider? hm, aber wo liegt darin
      denn nun die eigentliche kunst?
    - 
    ok; irgendetwas da sei immer – nicht wahr? das heiszt, sobald, beispielsweise, ein schild in einem museum auf  
      irgendein objekt 
    
    (& natuerlich: bild eines apfels 
    ≠ apfel, dennoch neigt man dazu, bei ersterem ebenfalls von apfel
      zu sprechen, ungeachtet dessen, dass das bezeichnete, ergo das bild eines apfels, nicht blosz, abgesehen von dem
      papier, auf dem es sich sozusagen befindet, nicht essbar ist) verweist, das eigentlich gar nicht da ist – egal, aus
      welchem grunde –, ist dasselbe ja quasi trotzdem da, zumindest sofern der geneigte rezipient (m/w/d/et cetera et
     cetera et cetera ad infinitum) dergleichen zulaesst 
    – sofern er aus der fuelle ihn kategorisch ueberflutender reize fuer
      sich eine entitaet herauschaelen kann & will, die er mit der von ihm kreierten bedeutung der bezeichnung in
      einklang zu bringen vermag –, ansonsten konstatiert er dessen abwesenheit & entwickelt – bewusst/unbewusst –
      eine theorie darueber, was es mit ihr auf sich haben koennte.
    - 
    & falls nun das schild absichtlich dort platziert worden waere, explizit bar eines tatsaechlich vorhandenen
      referenzobjekts? wuerde das nicht das schild selbst zum kunstwerk – & damit zum objekt/zur form – avancieren
      lassen, (nicht) allein dank des kontexts des museums...?
- 
    genug. im bald vorliegenden falle wird es auf jeden fall lediglich eine ganz bestimmte art von schildern mit titeln
      von – hypothetischen? – kunstwerken geben; die kunstwerke dazu, allerdings, sind nicht vom kuenftigen
      verfasser ihrer titel erschaffen worden.
- 
    ha! oder etwa doch?!
    - 
    wenn, dann gewiss nicht in physischer hinsicht – ich meine, es fand kein akt kuenstlerischen taetigseins statt, an
      dem er beteiligt gewesen waere, welcher via ein konkret/aesthetisch zu greifendes/fassendes material einen
      beziehungsweise den vielleicht existierenden gegenstand erschaffen haette, um ihn daraufhin mit einem von ihm
      angedachten titel zu versehen –, dafuer hat er eventuell etwas entdeckt, das ihn zu einer bezeichnung inspiriert
      respektive elemente vorgefunden, die er via einen prozess der integrierung zu einer unter anderem semantischen
      einheit zusammenfassen moechte.
    
    
    
    TO-DO (FUER MICH)
    
 - 
    intensive stadtbegehung: dreiszig markante orte auswaehlen;
    - 
    dreiszig gleich lange gedichtzeilen schreiben, jede zeile plus minimalerklaerung grosz auf ein blatt papier drucken
      & dieses anschlieszend laminieren (arbeits=titel des gedichts: kunst ohne form/objekt);
- flyer (inklusive gewinnspiel) fuer kunstspaziergang entwerfen;
- flyer herstellen (lassen);
    - 
    flyer & schilder auslegen/platzieren;
    selbstauferlegte absolute deadline: 16.10.2020
    
    
    
    KLEINE KURS=KORREKTUREN
 - 
    flyer werden am montag, den 12.10.2020, in verschiedenen, sich bereitwillig zeigenden laeden der relativen
      innenstadt - gelegentliche ausreiszer hoechst willkommen - ausgelegt: ein hoffentlich angemessen kalkulierter
      vorlauf, nicht zu knapp vor dem "event" & nicht zu weit davon entfernt;
- statt dreiszig zeilen achtzehn: sobald eine sache in sich stimmig zu sein scheint - es gibt nichts mehr
    
      hinzuzufuegen & nichts hinwegzunehmen - dann laesst man ihr gleichgewicht vielleicht besser unangetastet, es sei
      denn, die absicht bestuende darin, sie zum kollabieren zu bringen; will heiszen: das gedicht ist fertig & umfasst
      achtzehn ungefaehr gleichlange zeilen, jede zeile titel eines imaginaeren(?) kunstwerks innerhalb der stadt
      augsburg & in der gesamtheit, kontextverbunden, verstaendlicherweise letzterer gewidmet;
    - die
    tatsaechliche beschilderung findet am freitag, den 16.10.2020, statt & endet spaetestens um 15 uhr, womit
      wiederum der kunstspaziergang beginnen kann & besser auch sollte, da es sich um eher fluechtige kunst handelt:
    
      wer weisz, wie lange die laminierten titel unangetastet an ort & stelle verbleiben...
    alles, sofern die witterung mitspielt, sonst terminverschiebung!
    
    
    
    
    DER FLYER
    
    AUF=LOESUNG (DES GEDICHTS)
    
    
    kunst ohne form/objekt
    
 sinn=suchende aller welten vereinigt euch: endlich
    viel zu viele straszen fuehren zu ziel=los gen nichts
    sammler des friedens wieso geizt ihr mit reichtum
    wie arm stehen die hallen ohne eure tief‘re poesie
    wir feiern das wir dass wir & die andren egal ganz
    ob kleinstes oder groesztes gold tragische eitelkeit
    jeder sein eigner sampler seiner eignen umgebung
    aus dem leben radiert & beilaeufig hin=geschmiert
    sitzen kreuz & quer die erben vergangenster diebe
    solange das wasser so flieszt flieszt flieszt panta rhei
    & selbst zwischen baeumen herrscht mitunter leere
    lasset euch zu umkehrschluessen nicht hin=reiszen
    weil tradition die farbe der beziehungen verwebte
    mehrmals im jahr zum streng kontrollierten exzess
    wird hier akupunktur mit seziermessern betrieben
    denn seinen teuren geschmack zeigt man sich gern
    unter freunden & feinden unter fremden gestalten
    wissen wagen wollen schweigen: ja dabei bleibt ‘s
    EPILOG
    
    
    
                 „[Der Begriff der
    Verausgabung]
    
                   § 1. Das materielle Universum ist ein Spiel
           und keine Arbeit. Nur eine theistische oder
           idealistische Welt wird als Produktionsstätte
           dargestellt.“
                   
    – Georges Bataille, in „Der Fluch der
    Ökonomie“
    
    
    solange man (ausreichend freigebig) gibt, schafft man (in) sich raum fuer neues; beginnt man, jedoch, ueberproportional zu horten, versucht man
    energie(=aequivalente),
    egal in welcher form, – weit ueber das fassungsvermoegen des koerpers/geistes, des psyche hinaus – zu akkumulieren, rein fuer sich zu beanspruchen, auf die seite zu legen, um irgendwann, morgen –
    gemeint sei jenes ominoese morgen, das nie zu einem heute wird –, davon zu zehren, kommt es zur stockung, zur stagnation, zur blockade der entwicklung.
    einem solchen irr=sinn zugrunde mag die voellig absurde & sonderbare idee liegen, man haette anspruch auf irgendetwas. die idee des besitzes oder gar des
    eigentums mutet naemlich bei naeherer betrachtung reichlich sonderbar an. nur, weil eine gewisse kritische anzahl an entitaeten in der vergangenheit behauptet hat, dies oder jenes gehoere diesem
    oder jenem, sich die welt aufgeteilt hat… stopp!: „die welt“? „die welt“, zum einen, ist eine welt in unablaessigem wandel – leugnet man dergleichen, leugnet man automatisch, dass sich
    verhaeltnisse aendern, dass zum beispiel progress, & sei es der vom embryo zum erwachsenen, stattfindet –, gerade mal den winzigsten bruchteil eines augenblicks spaeter bereits nicht mehr die
    welt, von der gesprochen wurde, zum anderen beziehen sich entitaeten auf ihre interpretation, ihre wahrnehmung, ihre sicht der welt, nicht auf die objektive welt, sofern ueberhaupt vorhanden, die
    ihnen schon allein aufgrund der eingeschraenktheit ihrer sinne, erfahrungen & kenntnisse in ihrer gesamtheit auf ewig unzugaenglich & unverstaendlich bleiben muss. belassen wir es dabei.
    bewegt man sich innerhalb einer gruppe, beziehungsweise im akuten einflusskreis derselben, gleichgueltig welcher groesze, & nimmt man in dieser gruppe eine eher untergeordnete rolle ein, das
    heiszt, die essenziellen normgebenden aushandlungsprozesse finden weitestgehend statt, ohne dass man einen signifikanten einfluss darauf haette, geht man entweder den weg des geringsten
    widerstands, passt man sich an & gehorcht man den erwartungswerten, regeln, gesetzen et cetera oder man prueft kritisch, was einem sinnvoll erscheint & handelt explizit dem „eigenen“
    ethos gemaesz – ein weg, auf dem konflikte notgedrungen vorprogrammiert sind. die tatsaechliche realitaet des einzelnen kalibriert sich derweil irgendwo dazwischen – vielleicht partiell auch
    unter dem deckmantel der subversion –, da ein autopoietisches, soziales wesen weder vollkommen willenloses instrument noch absolut autark in seiner persona=bildung sein kann, ebenso wie weder 
    
    – um zum anfang des EPILOGs zurueckzukehren 
    
    – ein reines sich vergeuden noch ein reines aufbewahren moeglich ist.
    schlieszen wir also den kreis aus lose miteinander verwobenen impulsen durch einen systeminternen exkurs zum prinzip des schenkens: schenken waere dann schenken,
    wenn das schenken ueberwindung kostet, weil das geschenk einem wertvoll erscheint. schenken – selbstverstaendlich bar der erwartung einer reaktion; sonst verfaelscht das kalkuel, die hoffnung,
    sich bereichern zu koennen, die funktion des schenkens – ist laeuterung, befreiung von zwang.
    
    
    
