&!: OBACHT!
    
    abgesehen von dieser etwas reiszerisch betitelten anzeige, die indes lediglich die topologie der
vorliegenden unter=seite erlaeutern soll, gehorcht hier alles bedingt – die einzelnen elemente per se orientieren sich, der besseren verdaulichkeit halber,
nichtsdestotrotz am lese=diktat des sogenannten westens, von links nach rechts, von oben nach unten – dem prinzip einer echten chronologie: das bedeutet, das
juengere liegt auf dem aelteren, zu dem man erst einmal – mittels einer symbolischen bewegung via virtuellen raum (zwei dimensionen vertreten eine dritte) & ebensolche(?!) zeit; ein durcheilen
der geschichte – hin=scrollen muss. dabei existieren zwei parallele, ueber den anfang – einer  ueberschaubaren betrachtung zum verlauf des stattgefunden
habenden, kreativen prozesses – gelagerte straenge, ihrer entstehung entsprechend sortiert: erst saemtliche gedichte in tendenziell purer schrift=form, dann die
galerie der modifizierten – „aufgepeppten“ – versionen/derivate. eine notwendigkeit des vorhandenseins beider symptommengen resultiert daraus, dass ich, zugegebenermaszen, das visuelle konzept
bisweilen ueber das moment der lesbarkeit gestellt habe & ich interessierten durchaus die moeglichkeit bieten moechte, den inhalt der gedichte ohne akute herausforderung & gefahr fuer ihr
sehvermoegen aufnehmen zu koennen...
    & jetzt: viel vergnuegen beim stoebern & rezipieren!
gedicht 30 : 30.11.2020 ("vade retro"; 16 uhr 45; linde, irgendwo beim dom)
     
     
gedicht 29 : 29.11.2020 ("so denke ich mir krieg"; 8 uhr 56; kastanie vor dem hochablass, diesseits von augsburg)
gedicht 28 : 28.11.2020 ("delir-irr-irr-irr-irium!"; 15 uhr 20; kastanie, am koenigsplatz gen bahnhof)
gedicht 27 : 27.11.2020 ("réalité"; 15 uhr 40; pappel, am schaefflerbach, 48°22'13.4"N 10°55'22.8"E)
gedicht 26 : 26.11.2020 ("wald"; 15 uhr 43; abgasnaher baum vor feuerwehr, berliner alle 30)
gedicht 25 : 25.11.2020 ("the secret poem"; 16 uhr; ein bei=nahe eingekerkerter baum, schaezlerstrasze 5)
gedicht 24 : 24.11.2020 ("morbid"; 16 uhr 23; birke, firnhaberau, 48°23'24.3"N 10°53'57.0"E)
gedicht 23 : 23.11.2020 ("fang"; 16 uhr 12; linde, mittlerer graben 1)
gedicht 22: 22.11.2020 ("der botanische garten"; 8 uhr 50; linde vorm eingang zum botanischen garten)
gedicht 21 : 21.11.2020 ("lass es in ruhe"; 16 uhr; linde, hanreiweg 9)
gedicht 20 : 20.11.2020 ("körper und nichtkörper"; 16 uhr 18; linde, oberbuergermeister-hohner-strasze, bei den kuenstlichen schafen)
 
    
    
    
    
    gedicht 19 : 19.11.2020 ("omnis tobe ulkgeil est"; 16 uhr 12; kastanie, vorm liliom)
     
     
gedicht 18 : 18.11.2020 ("weil vor dem kater ist danach"; 16 uhr 40; linde, wolframstrasze 5 a)
gedicht 17 : 17.11.2020 ("2495 A.D."; 13 uhr 05; birke, lechhausen, 48°23'22.6"N 10°53'57.2"E)
gedicht 16 : 16.11.2020 ("time to hit Alt F4"; 16 uhr 44; kastanie, oberer graben 55)
gedicht 15 : 15.11.2020 ("¡cu-curru-guru"; 15 uhr 45; kastanie, rand wittelsbacher park, 48°21'36.0"N 10°53'20.3"E)
gedicht 14 : 14.11.2020 ("synergie"; 7 uhr 55; linde, bismarckstrasze 9)
gedicht 13 : 13.11.2020 ("irgendwo zwischen ebbe & flut"; 16 uhr 12; platane, elias-holl-platz)
gedicht 12 : 12.11.2020 ("weisen"; 7 uhr 33; ahorn(?), am schaefflerbach, 48°21'52.5"N 10°54'20.5"E)
 
    
      
gedicht 11 : 11.11.2020 ("sind die rolling stones eine felsformation"; 17 uhr 02; weide am schaefflerbach, 48°21'42.5"N 10°54'52.7"E)
gedicht 10 : 10.11.2020 ("Spiritualität"; 16 uhr 16; ahorn(?), inmitten des kleinen platzes vor dem "augsburger kunstverein")
gedicht 9 : 09.11.2020 ("perspektiven"; 7 uhr 18; ahorn, vis-a-vis city gallery, backside, 48°21'51.8"N 10°54'31.8"E)
gedicht 8 : 08.11.2020 ("weaver of reality"; 9 uhr 30; buche vor dem ablass am oberen anger)
gedicht 7 : 07.11.2020 ("erschoepfung der resonanz"; 8 uhr 54; feldahorn neben bank, anfang spickelwiese, 48°20'56.3"N 10°55'11.5"E)
 
    
gedicht 6 : 06.11.2020 ("opak/opal"; 16 uhr 08; linde; nahe bushaltestelle vincentinum, richtung rotes tor)
gedicht 5 : 05.11.2020 ("die letzten nächte von paris"; 16 uhr 18; pappel, an fuszgaengerampel von provinostrasze gen margaretstrasze, rechts)
gedicht 4 : 04.11.2020 ("gebundenheit"; 9 uhr 05; pappel vor der "apotheke an der wertachbruecke")
gedicht 3 : 03.11.2020 ("verdunstet", 16 uhr 15; linde, vor dem peutlinger-gymnasium)
 
    
gedicht 2 : 02.11.2020 ("dein fuckin' unholy reptiliencharm"; 16 uhr 12; bergahorn, koenigsplatz, zwischen straszenbahnstation & innenstadt, in der naehe der steinbank)
    
    gedicht 1 : 01.11.2020 ("gemeinsam auseinander"; 10 uhr 10; 
    
    kastanie, zwischen fahrrad & fuszweg zu seiten der jakoberwallstrasze, hoehe city-gallery)
gedicht 30 : 30.11.2020 ("vade retro"; 16 uhr 45; linde, irgendwo beim dom)
    vade retro
    
    gaumengrinsen saug das fruchtfleisch der kornellkirsche
    vom kern auf abschuessigen aesten wo kein pferd reitet
    spielen muskuloese hunde mit kurzen beinen powertrip
    ohne bedrohlichkeit ihr hecheln aehnelt quasi stammeln
    einem silbenhacken das du verstehst sobald du hinhoerst
    formen sich fast ganze saetze mit aufforderungscharakter
    & die meinen tue was dir gut tue zerreisze endlich deine
    leine die dich halten will nicht dass du dich blosz weiter
    von auszen also nackt betrachtend irgendwann vielleicht
    das opfer eines feigen mordes blutend in der gosse liegst
    & nicht mehr schreist wenn derbe stiefel dich zu matsch
    zerstampfen weil sie einen stoerfaktor dessen praesenz
    eigentlich eher einer abwesenheit bar eigener initiative
    gleicht wieder wegschrubben sollen schimpfen sie leise
gedicht 29 : 29.11.2020 ("so denke ich mir krieg"; 8 uhr 56; kastanie vor dem hochablass, diesseits von augsburg)
    so denke ich mir krieg
    
    wir zogen ueber den abglanz heidekrautverschmierter huegelketten
    das glas schwieg & auch wir versuchten uns der stille zu ergeben bis
    einer steckenblieb & seine arme gen himmel werfend grell aufschrie
    sein lohn sei ihm gestohlen worden seine fuesze verweigerten ihren
    dienst seine kameraden waeren in wahrheit tagvampire sie lechzten
    nach seinem blut da hielten wir inne stellten uns alle um ihn herum
    jeder stiesz einmal zu & danach tranken wir & marschierten weiter
    
gedicht 28 : 28.11.2020 ("delir-irr-irr-irr-irium!"; 15 uhr 20; kastanie, am koenigsplatz gen bahnhof)
    delir-irr-irr-irr-irium!
    
    versuchungen mit klebefäden
    pappen augen stracks wo fest
    sodass der schritt sich lenken lässt
    von all dem reizgeschmeisz
    o somnambuhlergeist!
    der jeden traum zerreiszt
    wenn wir ganz wirr bis rauschbesessen
    gleich tiermaschinen wahnsinn fressen
    ‘delisch grinsend die essenzen
    heilloszinogent das sein!
gedicht 27 : 27.11.2020 ("réalité"; 15 uhr 40; pappel, am schaefflerbach, 48°22'13.4"N 10°55'22.8"E)
    réalité
     
    & dann tauchten da an den denkbar unguenstigten stellen ploetzlich
    bruchstuecke naemlich auf von erinnerungen vielleicht & voellig aus
    dem zusammenhang gerissen wie ja beispielsweise der blutige finger
    im ohr das halbgerauchte zeitschriftenmagazin die violine ohne mund
    oder andere verwirrende personenfragmente & mischten sich einfach
    so unter beziehungsweise ein in das aktuelle handlungsgeschehen bis
    niemand mehr ahnte dass er blosz traeumt & deshalb nicht erwachte
gedicht 26 : 26.11.2020 ("wald"; 15 uhr 43; abgasnaher baum vor feuerwehr, berliner alle 30)
    wald
    
    irgendetwas stimmt nicht mehr mit den baeumen hinter dem haus
    teilweise wuchern sie ins unermessliche auch die rinde flieszt viel
    zu weich & unbestaendig weshalb ich mir langsam sorgen mache
    & beschliesze die sache in die eigene hand zu nehmen ich hole mir
    eine saege eine axt & begebe mich heimlich an die arbeit nur leider
    haben wir sehr neugierige nachbarn & ich moechte nicht beobachtet
    werden mir weder sonderbare fragen noch ratschlaege & kommentare
    anhoeren muessen natuerlich werde ich trotzdem staendig gestoert
    aber nach einer weile bin ich fertig & habe keinerlei ahnung wie mir
    die sache gelungen ist denn auf dem boden liegen ein paar staemme
    den spuren nach zu urteilen habe ich mich aufs hauen beschraenkt
    & nun wobei ich feststelle dass ich mich gar nicht drauszen sondern
    drinnen befinde versuche ich die erde aufzugraben um neue pflanzen
    zu setzen mir klappen komplizierte mit alten saegemehlbergen bedeckte
    holzkonstruktionen entgegen manchmal meine ich fast in den unteren
    stock blicken zu koennen kurz vor dem einbrechen zu stehen doch lasse
    ich mich nicht beirren & am schluss umgibt mich eine naturverjuengung
    gedicht 25 : 25.11.2020 ("the secret poem"; 16 uhr; ein bei=nahe eingekerkerter baum,
    schaezlerstrasze 5)
the-secret-poem
gedicht 24 : 24.11.2020 ("morbid"; 16 uhr 23; birke, firnhaberau, 48°23'24.3"N 10°53'57.0"E)
    
    morbid
    
    blutsturzueber
    augenweiden
    
    satt geseh’n
    am lustprinzip
    
    peristaltik
    der verwesung
    
    weil ‘s mal schoen
    gewesen ist
    
 
gedicht 23 : 23.11.2020 ("fang"; 16 uhr 12; linde, mittlerer graben 1)
fang
    
    das eine
    des and‘ren
    anfangs ende
    
    fang das and‘re
    ende jetzt an
    
    beende das and‘re
    fang an das eine
    fang das eine
    fang es jetzt ein
    
    beende den anfang
    fang an das ende
    beende das ende
    fang am anfang jetzt an
    
    doch fang auch das and‘re
    und fang auch das eine
    dann fang das ende
    und fang auch den fang
    
gedicht 22: 22.11.2020 ("der botanische garten"; 8 uhr 50; linde vorm eingang zum botanischen garten)
    der botanische garten
    
    & gleich zu beginn ein plot-twist bienenareale
    bitte nicht veto weil dornen quasi die stacheln
    von rosen sind analogisierst du zu freimuetig
    schlendernd ein hauch von waessrigem japan
    geraet dir in die quere & hoelzerne bruecken
    laden dich ein dich mal kraeftiger auszuloten
    kein ronin-komplott stoert die meditationen
    stattdessen traben massenweise junge mittlere
    & aeltere mitbesucher ueber die vage resilienz
    deiner nervenstroeme hey du besitzt rechte
    allerdings nicht das daseinsmonopol dafuer
    dass du dich hier begrenzt aufhalten darfst
    hast du bezahlt eine summe mit gegenwert
    einer relativ mittelmaeszigen tasse kaffee
    im lauschigen biergarten & all die pflanzen
    guckst du dir spaeter etwas gelassener an 
gedicht 21 : 21.11.2020 ("lass es in ruhe"; 16 uhr; linde, hanreiweg 9)
    lass es
    in ruhe
    
    geh hierhin
    nein
    geh dorthin
    nein
    wohin du willst
    tu was du tust
    nicht aber jetzt
    weil später nie
    fang endlich an         
    hör auf damit
gedicht 20 : 20.11.2020 ("körper und nichtkörper"; 16 uhr 18; linde, oberbuergermeister-hohner-strasze, bei den kuenstlichen schafen)
körper und nichtkörper
    
    der körper als körper
    des anderen wirkt
    auf den körper
    woraufhin der körper
    sich selbst projiziert
    und in sich bereits
    sozusagen als idee   nicht
 körperhaft verkörpert   den nichtkörper erklärt
 den körper enthält                                 
    
gedicht 19 : 19.11.2020 ("omnis tobe ulkgeil est"; 16 uhr 12; kastanie, vorm liliom)
    omnis tobe ulkgeil est
    
    ob gottes muskellinie
    kilos teilte musen bog
    sein soll mit ko beugte
    tonlose begleitmusik
gedicht 18 : 18.11.2020 ("weil vor dem kater ist danach"; 16 uhr 40; linde, wolframstrasze 5 a)
weil vor dem kater ist danach
    
 lass doch lieber mal
    jemand anderen deine schweinereien
zaehlen die schlittenhunde vielleicht oder den alten krebs
der gerne unter deiner notduerftigen spuele haust & sich
ums geschirr kuemmert wenn du wieder keinen bock hast
dir die decke mit allen termiten & ameisen auf den kopf
fallen zu lassen sondern rausrennst laut grashalme abreiszt &
dabei lieder aus deiner kindheit pfeifst bis du betrunken bist
gedicht 17 : 17.11.2020 ("2495 A.D."; 13 uhr 05; birke, lechhausen, 48°23'22.6"N 10°53'57.2"E)
    2495 AD
    
    progressor sie fragten ihre route nach statt staedten
    totaler kollaps ihre kuenstlich erzeugte intelligenz
    versagten wir dem planer die auskunft seiner raster
    weite truemmerfelder fiel bis babel galt prophezeit
    uns nicht nur untergang falls wir die zukunft ahnen
    diesseits wirrster wurzelfaeden ach vitiosus circulus
    wo einst waelder rauschten wuesten versa vice bald
    verbleicht am boden der letzten detox-staub-ruinen
    aus erloschenen ideen ein labyrinth vor provenienz
    getaner schritte & aller intentionen gleich urwesen
    meuterte scharf hybris kontra kalkuel nun & gewann
    auf uns dass wir verloren in derlei katakomben lagen
    zum nackten fusz alter rechnungshof-gerichtsaltaere
    zeichneten sonderlinien unser zivilisationsschicksal
    als buendel verkackt vertrackter routine-entitaeten
    stringent & linear in die tiefen der abgruende hinein
    dissoziiert das oede subjekt seiner selbst immer fern
    ahnungsarm degeneriert zu bloszen fremdfunktionen
    opferten wir das massenschlachten uns den verstand
    erhielten rabattmarken fuer konsumentschaedigung
    & kein koerper spuerte den wind her der um uns pfiff
    
gedicht 16 : 16.11.2020 ("time to hit Alt F4"; 16 uhr 44; kastanie, oberer graben 55)
    time to hit Alt F4
    
    keine spinne mehr sein die sich fuer eine fliege haelt
    im weltweiten netz vor katzenvideos & dank memes
    versuchst du bei tinder endlich den scheibenwischer
    stoisch ohne hinzugucken & du wisperst nieder leise
    mit dieser sozialen selektion nach visuellen kriterien
    aufhoeren bitte mich nicht bloggen weil ich froehlich
    tabus & superfoodtrends anspreche auf oekologischer
    basis weil ich regelmaeszig zum einschlafen softe asmr
    clips konsumiere wider meine einsamkeit & probleme
    real-life-bekanntschaften zu knuepfen hock ich in chats
    ziemlich old-school-maeszig ohne allzu sehr zu trollen
    bin immerhin schon altes eisen will heiszen weit ueber
    sechs&dreiszig jahre alt ein relativ binaerer dinosaurier
    dessen digitale halbwertszeit laengst abgelaufen waere
    wuerde er nicht korrupte daten verbreiten & trenden
gedicht 15 : 15.11.2020 ("¡cu-curru-guru"; 15 uhr 45; kastanie, rand wittelsbacher park, 48°21'36.0"N 10°53'20.3"E)
    ¡cu-curru-guru!
    
    nun ratet mal
    wer ratten fängt
    & ob sich eine retten kann
    wenn seine töne
    fährten leg‘n
    vom hier & jetzt
    ins unbekannt‘
    
    dann rattert
    ratlos ‘s rattenhirn
    & folgt doch flux
    der melodie
    & irgendwo
    bis nirgendwo
    finden selbst
    wi‘-u‘-wo‘ nie 
gedicht 14 : 14.11.2020 ("synergie"; 7 uhr 55; linde, bismarckstrasze 9)
    synergie
    
    das tier wartet
    ich folge ihm
    ich folge ihm
    durch die musik der gassen und abstrakten ideen
    ich folge ihm
    durch schallendes gelächter
    dessen vibration die mauern zersetzt
    ich folge ihm
    durchs getöse schwer schuftender leiber
    eingehüllt in ihren würzig dampfenden schweiß
    ich folge ihm
    durch ein meer aus melodien und dissonanzen
    aus schaum und klang und loser erinnerung
    ich folge ihm
     – zahm –
    wie ein schatten seinem körper
    ich folge ihm
    – bestimmt –
    wie ein akt seinem akteur
    ich folge ihm
    – voller demut –
    wie eine morgendliche silhouette
    sich scheu der Sonne zu verneigt
    
    ich folge ihm
    ja ich folge ihm
    ich folge dem tier
    ich folge dem tier
    weil und wie
    weil und wie
    das tier  m i r  folgt
    
gedicht 13 : 13.11.2020 ("irgendwo zwischen ebbe & flut"; 16 uhr 12; platane, elias-holl-platz)
    irgendwo zwischen ebbe & flut
    
    du zappst durch die programme deiner erinnerung
    an serien die du genial gefunden hast & jetzt wieder
    desto mehr je hoeher dein pegel hier in einem keller
    mit dir unbekannten neuen freunden so nach genuss
    von bier & wein achtetest du auf die reihenfolge nein
    egal tomorrow never comes nicht wahr du beginnst
    zu tanzen also hin & her zu wanken alle hemmungen
    verlieren sich die tueren hinter denen du gestrandet
    warst einfach weggeschwafelt & erzaehlst anekdoten
    keiner hoert zu & jeder lacht in diesem enger werden
    eines raumes mit sauerstoffmangel & klaustrophobie
    als running gags ohne opfer weil der geist kapituliert
    keine gegenwehr endlich mal angenehm narkotisiert
    gelingt dir das kunststueck dich selber zu vergessen
gedicht 12 : 12.11.2020 ("weisen"; 7 uhr 33; ahorn(?), am schaefflerbach, 48°21'52.5"N 10°54'20.5"E)
weisen
in blinder erwartung strichen wir
um die zurschaustellung unserer
behausungen lieferten uns wortgefechte
erhöhten uns in relationen trieben
unsere hoffnungen vor uns her
doch die sonne wollte nicht
kommen dunkel blieb es keiner
vermochte der erste zu sein und so
schwiegen wir leugneten weiterhin
bis ein kind endlich fragte
warum das licht begraben sei
gedicht 11 : 11.11.2020 ("sind die rolling stones eine felsformation"; 17 uhr 02; weide am schaefflerbach, 48°21'42.5"N 10°54'52.7"E)
    sind die rolling stones eine felsformation
    
    steine die zungengleichung gerollter rhetorik
    zeitalter fuer verschwommenes ein untergang
    aus floskeln hochgespreizten redewendungen
    flinker im buchstabieren & im woerterknoten
    nicht zu gebrauchen beim uebertragen verlust
    an sinn alles spaeter auch frueher opfervisagen
    oder vice galt versa veraenderung gleich status
    kinetik also tabula rasa also quid also quo wen
    kuemmert die starre freiheit ohne ausnahmen
    wer glaubt darauf etwas aufbauen zu koennen
    momentaufnahmen gestern gebirge & morgen
    ein meer heiszt heute diese eiskalte wueste just
    go with the flow you know panta rhei vielleicht
    die chimaere eines voyeurs der sich auslagern
    wollte & davon ausging den fluss von auszen
    zu sehen gefangen in wirren strudeln laengst
    eins mit den andren konservierte er auszer
    nichts nicht einmal nicht nichts
gedicht 10 : 10.11.2020 ("Spiritualität"; 16 uhr 16; ahorn(?), inmitten des kleinen platzes vor dem "augsburger kunstverein")
Spiritualität
    
    Das köstliche Flattern gefangener Vögel;
    die herbe Präzision eines sezierenden Blicks;
    mondfarbene Erkenntnis erprobt ihre Schwingen,
    berührt sonnenleuchtende Stille und erlischt:
    Entzündet am Duft arabesker Mysterien
    lodert – flammenverkündend! –
    sinnsuchender Trieb…
gedicht 9 : 09.11.2020 ("perspektiven"; 7 uhr 18; ahorn, vis-a-vis city gallery, backside, 48°21'51.8"N 10°54'31.8"E)
perspektiven
zwischen zwei felsen
die das universum begrenzen
das universum begrenzen
in seiner unendlichkeit
zerrinnt
in gefangenschaft
    das stigma unserer leere
stummen blicks gieren wir nach den sternen
den wegweisern unserer scheinheiligkeit
    unserer freiheitlichen ignoranz
traurig schweigen wir
schreien tonlos nach barmherzigkeit
    im ewigen wort
die antwort bleibt leere
leere leere
und tod
gedicht 8 : 08.11.2020 ("weaver of reality"; 9 uhr 30; buche vor dem ablass am oberen anger)
    weaver of reality
    
    dein schleier aus erfahrung & sichtweisen
    der ueber den schleiern aus erfahrungen
    & sichtweisen anderer liegt die wiederum
    ueber zahllosen schleiern aus sichtweisen
    & erfahrungen anderer et cetera et cetera
    & irgenwann erst ueber der wirklichkeit
    der ominoesen objektiven wohlgemerkt
    sofern ueberhaupt existent liegen neigt
    gerne dazu sich fuer letztere auszugeben
    woebei bezugspunkte kurz mal aehnlich
    gewesen sein moegen aber ein wunder
    falls je tatsaechlich quasi vollkommen
    miteinander identisch & deswegen sei
    davon auszugehen dass sie staendig
    divergieren & du letztlich keinen
    blassen schimmer hast was um
    dich herum in dir drinnen
    & ueberhaupt geschieht
    eigentlich schade so it
    ’s time to cut holes
    with this knife
    whenever
    you ar
    e rea
    dy
gedicht 7 : 07.11.2020 ("erschoepfung der resonanz"; 8 uhr 54; feldahorn neben bank, anfang spickelwiese, 48°20'56.3"N 10°55'11.5"E)
    erschöpfung der resonanz
    man muss geduld haben
    mit rostigen saiten
die finger zerschneiden
für einen einzigen ton
gelegentlich tropft
blut auf die seiten
bleibt liegen und provoziert
den beginn des gedichts
gedicht 6 : 06.11.2020 ("opak/opal"; 16 uhr 08; linde; nahe bushaltestelle vincentinum, richtung rotes tor)
    opak/opal
    
    licht sei ein reflex
    der dunkelheit verschmaeht
    
    & loes(ch)t doch schatten aus
    vielleicht nicht weisz auf schwarz
    
    & auch nicht umgekehrt
    nein eher als fragment
    
    zu einsamkeit
    befragt
    
gedicht 5 : 05.11.2020 ("die letzten nächte von paris"; 16 uhr 18; pappel, an fuszgaengerampel von provinostrasze gen margaretstrasze, rechts)
    die letzten nächte von paris1
    
    wir gespenster2 warten vergessen3
 unter der bedeckung eines huts4
    wo spinnen ihre nester bauen5
 auf der terrasse des café josty6
    auf der anderen seite des spiegels7
 wo ein vogel am schönsten
    singt8
    
    vom schwarzen revier
    zur neuen welt9
    
    das große nimmermehr10
    
 
    1philippe soupault 2ferdinand hardekopf
    3maurice blanchot 4h.c. artmann
    5 italo calvino 6paul boldt
    7 arseni tarkowski 8 alejandro jodorowsky
    9 paul zech 10 elsa triolet
gedicht 4 : 04.11.2020 ("gebundenheit"; 9 uhr 05; pappel vor der "apotheke an der wertachbruecke")
gebundenheit
    
    denn weil als wie
 obwohl weshalb,
    wenn nämlich,
    dann oder wann,
    wo wer was nun
    – und sofern jetzt –,
    warum hier
    respektive dort?
    
    falls aber doch,
    bald allerdings
    bzw. demgemäsz,
    oft weiterhin,
    sowieso,
    durchaus
    usf.!
gedicht 3 : 03.11.2020 ("verdunstet", 16 uhr 15; linde, vor dem peutlinger-gymnasium)
    verdunstet
    
    reifenkollern weht der wind die bruestung der duenen
    hinab im hauruckverfahren verfrachtet dich ins abseits
    ja jeder plan ist eine wueste blaupause eines scheiterns
    auf raten oasen suchen wie viel prozent reichen wohl
    aus um ausreichend versorgt zu sein wenn manche gern
    behaupten gewisse dinge seien unteilbar & verlieren
    ihren sinn ihre bedeutung sobald jemand mal versucht
    sie zu dividieren was nicht ablenken soll vom sand
    der zwischen den zaehnen & zehen & gelenken & & &
    knirscht das getriebe blockiert selbstverstaendlich erst
    ab einer gewissen menge & nun geraetst du erst recht
    in den wirbel in den strudel in den sturm eines sich im
    mer weiter um sich selbst drehenden gedankens & irrst
    solange dahin bis dein knochentrockener leib verdorrt
    daliegt unter der guten uralten & gnadenlosen sonne
gedicht 2 : 02.11.2020 ("dein fuckin' unholy reptiliencharm"; 16 uhr 12; bergahorn, koenigsplatz, zwischen straszenbahnstation & innenstadt, in der naehe der steinbank)
dein fuckin‘ unholy reptiliencharm
    
    alle verplant verstrahlt auf lebenszeit baby
    the grace of tschernobyl & ein sehnen nach
    alt school also daseinsentwurf=alternativen
    slow=motion=paradiesen entschleunigung o
    just obey the neon poetry deiner innersten
    daemonen you tattooed your psyche on you
 =r body your koerper on your spirit & jenen
    auf die leere deines eher blassen schimmers
    den du vom sinn of life not hast jedoch dafuer
    von sins tabu=bruechen inklusive
    relativer
    consequences internalisiert & viel versteckter
    gen auszen yes you’re no saint scheinheiligkeit
    goddamn as you really try to act like one no
    zurueckhaltung anymore wenn du dich mischst
    mit fremden substances drug-induced persona
 =mutationen als ein way of existence um dich
    eines schoenen tages aus dir selbst zu befreien
    na so à la differenz der visionen einer eierschale
    & der awesome rattlesnake die darin stagniert
    
    
    
    gedicht 1 : 01.11.2020 
    
    ("gemeinsam auseinander"; 10 uhr 10; 
    
    kastanie, zwischen fahrrad & fuszweg zu seiten der jakoberwallstrasze, hoehe city-gallery)
gemeinsam auseinander
    über einer weiten fläche
    gleißte sonne sengend heiß
    und die stange von la mancha
    schwafelte im selben kreis,
    den sie schon umritten hatte,
    begleitet stur von jener kugel,
    deren faulheit unbeschreiblich,
    bloß von ihres hungers pegel
    fleißig übertroffen ward.
    „sieh, ich seh doch wieder
    riesen!“, rief die stange,
    glühend bebend, eine ader
    
    platzte ihr; worauf die kugel,
    eifrig gähnend, träge sich die
    augen rieb, fies am rande
    schnell erwähnte, dass sie
    
    nicht erkennen könne
    was die stange denn da meine –
    windesmühlen gäb's zwar viele,
    aber solcher riesen: keine!
    
    angezerrter epilog:
    
    sich im widerspruch vereinend,
    ergänzten so sich beider formen,
    zogen quer durch müde lande
    rannten bald an gegen normen…
    
    oder, kürzer:
    ‘ne stange und ‘ne kugel
    trotteln durch das land.
    erst’re gegen riesen,
    zweit‘re für den wanst…
    
    und schluss/genug!
    ZUR
    GENESIS
    
    
    die (un?=)bewusste (auto=poietische?) gestaltung (poesis?) von text (poesie?) als bild –
    ein terrain, das ich bisher hoechstens zu zwecken exzeptioneller, experimenteller, nichtsdestotrotz mitunter ausgesprochen fruchtbarer exkursionen durchstreift hatte –: ueber die vage dauer
    einiger arbeitsamer wochen hinweg zu meinem vornehmlichen spiel=raum auserkoren, hat sie mir eine wahrlich wunderbare chance erschlossen: das direkte
    bezeugen eines aufregenden kreativen prozesses, mit all seinen hoehen & tiefen sowie das setting transzendierenden, weiterfuehrenden phaenomenen. denn waehrend ich mich beim reinen(?)
    schreiben hauptsaechlich brav & hingebungsvoll dem diskurs meiner gedanken – an guten tagen einschlieszlich einer beruecksichtigung diverser (fiktiver?) metaebenen – ergebe, beim reinen(?)
    & just & speziell in meinem falle recht gemaechlich dahinplaetschernden malen in gewisser hinsicht synchron ueber das entstehende bild meditiere – sprich, insgesamt: den sich selbst
    beobachtenden geist mittels gewohnheit tendenziell einschlaefernde routinen –, 
    hat hier eine von ausgiebigen pausen – in denen sich verschiedenste, teilweise einander temporaer zuwiderlaufende vektoren integriert haben – durchsetzte, andere art des schaffens stattgefunden. eine mich
    vom direkten handeln abschweifen lassende, mein tatsaechlich soeben getaetigtes handeln sowie mein handeln in spe bereits prophetisch reflektierende.
    am anfang – ach, welch wunder waere eine kreation aus dem buchstaeblichen nichts heraus! (wohl
    der groeszenwahnsinnige traum eines jeden moechte=gern=demiurgen...?) –: das euphorische brausen von nach
    form/konkretisierung gierenden ideen, die einfluesterungen des jeweils ausgewaehlten gedichts, das zu=fallen von inspiration(en), u.a. stoebernd durch die
    archive meiner digitalisierten pinselerguesse, das ausloten des potenzials der vorhandenen werkzeuge/instrumente – eine flut innerer & aueszerer (& damit innerer) reize. sich dynamisch
    verzweigende, veraestelnde, veraendernde, anwachsende impulse: die akutesten aufgreifend, akkumulierend, zu handlungsanweisungen uebersetzend, denen ich prompt & gerne – es lebe der flow! –
    & in spaeteren, kritischeren phasen seltener vorbehaltlos gehorchte: kettenreaktionen! – zum beispiel ausgeloest von einer mir dem gedicht angemessen erscheinenden schriftart, die daraufhin wiederum bestimmte visuelle
    komponenten dringend forderte & komplementaer eine schier gigantische, ungleich umfangreichere, in wirklichkeit eben ausschlieszlich durch exklusion der geduldeten elemente definierbare,
    quasi unendliche menge ausschloss: das paradigma meines stils. („stil“, laut meiner interpretation: ein mindestmasz an angeeigneten techniken im staendigen konflikt – im sinne von
    auseinandersetzung – mit bewussten & unbewussten vorlieben, im staendigen konflikt mit vorhandenem material – inklusive meiner wenigkeit/meiner dispositionen
    – , im staendigen konflikt mit noch & nicht mehr vorhandenem schaffensdurst – ergo im staendigen konflikt mit
    divergierenden beduerfnissen –, im staendigen konflikt mit ihren signifkanten teil beitragen wollenden idealen & haltungen etc. etc. etc. ad infinitum, mit (letztlich unerfuellbarem) drang,
    hin zur bestaendigkeit: die fluide & im augenblick der aktion jedoch unvorstellbar starr & hart – wie wasser beim sprung aus entsprechender hoehe – anmutende schablone einer sich
    unablaessig wandelnden persona & ihrer gestalterischen – „nischenkonstruierenden“ – faehigkeiten & attribute in interaktion mit der welt/sich.)
    
    grundzuege von werken entstehen: ein berauschendes flieszen!, &, ploetzlich, vielleicht beim feinschliff, irritieren auf einmal minimalste farbnuancen, platzierungen & ausrichtungen von
    kleinstfacetten (details!) – o, du unglaublich laehmender, zu herrlichen, zwischen implosionen & explosionen oszillierenden wutausbruechen verleitender frust – usw. usf. frage: was gibt
     w a s  vor? was gilt als unantastbarer kern des werks, was als nach anpassung verlangendes
    bei=werk? & darum, warum nicht: perspektivwechsel; umkehrung oder rekonfiguration der prioritaeten? ja; & trotz freiheitlicher avancen: blicke ich –
    ich bin gesprungen – am ende auf die summe der vollendeten kompositionen, vermeine ich die signatur eines "stils" – eine begrenzung, die es ueber kurz oder lang
    zu ueberschreiten gilt: always! 
    – zu erkennen & sehe eigenen charakter – eigen- &! selbststaendigkeit – fuer sich
    beanspruchende uebergangszustaende & ausschnitte in ihrer gesamtheit realitaet werden wollender visionen…
    
